Projekt

AWARE – Was wollen Aphasiker:nnen?

Eine exploratorative sequenzielle Studie zu Compliance-Faktoren in der Logopädie?

 
AWARE - Was wollen Aphasiker:nnen?

Eine Sprachstörung ist eine der häufigsten Folgen eines Schlaganfalls oder einer Verletzung des Gehirns durch einen Unfall. Die Auswirkungen sind dramatisch und gehen weit über die Minderung der Sprach- und Kommunikationsfähigkeit hinaus: Auf individueller Ebene verändert sich das Selbstkonzept, die Einbettung in die Familie und Partnerschaft resultiert schlimmstenfalls in sozialer Isolierung. Neben dem sozialen Gefüge um die Betroffenen erfährt die Rolle in der Gesellschaft teils gravierende Veränderungen. Schätzungsweise fallen 80 Prozent der Betroffenen dauerhaft aus dem Erwerbsprozess: es droht materielle Deprivation und eine dauerhafte Abhängigkeit vom Solidarsystem.

In der sprachtherapeutischen Versorgung von Aphasien zeigt sich eine Diskrepanz zwischen wissenschaftlich empfohlener und von den Betroffenen akzeptierter Therapieform. Leitlinien empfehlen eine möglichst hochfrequente Therapie mit bis zu zehn Stunden pro Woche, um signifikante Verbesserungen erzielen zu können. Im Schnitt erhalten die Aphasiepatient:innen etwa in Deutschland inklusive der hochfrequenten Akutversorgung lediglich 28 Wochenminuten Sprachtherapie. Einige Studien verorten die Gründe für diese dramatische Unterversorgung eher in Faktoren des Gesundheitssystems.

Vereinzelte Studienergebnisse zeigen jedoch eine mangelnde Compliance der Betroffenen für eine hochfrequente Therapie: In der international einflussreichen Studie von Nouwens et al. (2017) ist fehlende Motivation zur Teilnahme an der intensiven sprachtherapeutischen Intervention der häufigste isolierte Drop-out-Faktor. Die Studie von Asmussen et al. (2013), in der deutsche Logopäd:innen nach den Verhinderungsgründen hochfrequenter Therapie im ambulanten Setting befragt wurden, bestätigt diese Ergebnisse. Hier zeichnen sich ebenfalls die Patient:innen als zweithäufigster Verhinderungsgrund einer hochfrequenten Therapie mit über 50 Prozent verantwortlich. Während in 65 Prozent der 257 befragten Fälle eine Hochfrequenztherapie verfügbar war, existierte nur in 21 Prozent der Patient:innenwunsch zur Durchführung dieser.

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik zeigt sich in der Literatur nicht, was die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit dieser Thematik aus Betroffenensicht betont: Die Erhebung von Patient:innenwünschen, Identifizierung von kritischen Parametern hinsichtlich Setting, Inhalt, Umsetzung, Implementierung motivationaler Aspekte etc. zur potenziell zukünftigen partizipativen Entwicklung, Evaluierung und Implementierung von Versorgungsformen mit höheren Akzeptanzwerten erscheint vor diesem Hintergrund als ethische Verpflichtung.

Daher sollen im Sinne qualitätvoller Betroffenenbeteiligung Bedarfe und Bedürfnisse dieser Patient:innen als Grundlage zur potenziellen Entwicklung neuer Interventionsformen erhoben werden, um hier langfristig forschungs- und versorgungspolitische Legitimität erlangen zu können. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts soll mittels qualitativer und quantitativer Datenerhebungen identifiziert werden, mit welchen Herausforderungen Betroffene konfrontiert werden und wie man diesen begegnen kann. Resultierend sollen Handlungsempfehlungen an die Praxis und Politik formuliert werden.

Wie können Sie an der Studien teilnehmen?

Für die Durchführung der Studie suchen wir Menschen mit Aphasie und deren Angehörige, die uns in einem Gespräch Ihre Situation, ihre Wünsche und Herausforderungen schildern. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir einen Fragebogen aussenden und freuen uns ebenso über jede Hilfe, mit diesem möglichst viele Menschen mit Aphasie zu erreichen.

Interessierte mit Aphasien sowie deren Angehörige aus Österreich und Deutschland können schon jetzt unter der Mailadresse aphasie@fh-joanneum.at ihre Teilnahmebereitschaft bekanntgeben. Da sich das Projekt derzeit in der Pilotierungsphase befindet, werden uns gegebenenfalls mit zeitlicher Verzögerung zur Projektteilnahme zurückmelden und freuen uns über prinzipielle Teilnahmebereitschaft.